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Beitrag vom 25.09.2007
Studie Einstellungen zur Homosexualität - Ausprägungsformen und sozialpsychologische Korrelate bei Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund
Silvy Pommerenke
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) beauftragte im Rahmen des Modellprojekts "Homosexualität als Thema in Migrationsfamilien" letztes Jahr den Kieler Sozialpsychologen...
...Prof. Dr. Bernd Simon mit dieser Evaluation. Finanziert wurde die Studie vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zu diesem Anlass fand am 25. September 2007 in der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales in der Berliner Oranienstraße eine Pressekonferenz statt, in der die Ergebnisse der Studie präsentiert wurden. Im anschließendem Fachsymposium diskutierten ExpertInnen aus Wissenschaft und Politik über die Hintergründe, Resultate und möglichen Konsequenzen der Untersuchung.
Um zu seinen Ergebnissen zu gelangen, ging Prof. Dr. Bernd Simon mit seinen MitarbeiterInnen im Sommer letzten Jahres an ein gutes Dutzend Berliner Gesamtschulen und Gymnasien und ließ über 1.000 Fragebögen an Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren austeilen. Die Bilanz kann zwar keine repräsentative Umfrage darstellen, aber zumindest ergeben sich daraus "statistisch belastbare Ergebnisse", so Simon. Im Mittelpunkt der Befragung standen drei soziologische Gruppen: Jugendliche ohne Migrationshintergrund, Jugendliche mit Migrationshintergrund aus der UdSSR und Jugendliche mit Migrationshintergrund aus der Türkei.
Das Ergebnis erstaunt nicht wirklich, denn nach der Auswertung zeigen Jugendliche mit Migrationshintergrund eine homosexuellenfeindlichere Einstellung als Jugendliche ohne.
Die zusammengefasste Bilanz ergibt:
Homosexuellenfeindlichkeit steigt:
● in allen Gruppen mit zunehmender Akzeptanz traditioneller Männlichkeitsnormen (das impliziert ebenfalls die traditionellen Weiblichkeitsnormen – Simon spricht hier auch von sexistischen traditionellen Männlichkeitsnormen)
● in beiden Migrationsgruppen mit zunehmender Religiosität – insbesondere bei türkischem Migrationshintergrund
● mit zunehmender Diskriminierungserfahrung als MigrantIn aus der ehemaligen UdSSR
● mit zunehmendem Alter bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund wie auch bei Jugendlichen mit dem Migrationshintergrund "ehemalige UdSSR"
Homosexuellenfeindlichkeit sinkt:
● mit zunehmender Integration bei Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund
● mit vermehrten Kontakten zu Homosexuellen bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund wie auch bei Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund
● mit zunehmendem Alter bei Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund
Neben den Fragen nach dem elterlichen Bildungshintergrund sollten beispielsweise Fragen beantwortet werden wie: "Wenn sich zwei Schwule/Lesben küssen, finde ich das eklig", oder "Sollten Homosexuelle die gleichen Rechte haben wie Heterosexuelle?" Unter anderem wurde auch danach gefragt, wie sehr sich die einzelnen Jugendlichen in der deutschen Gesellschaft selbst diskriminiert sehen, und auch hier ergab sich eine Korrelation von der eigenen Diskriminierung und der gegenüber Homosexuellen. Eren Ünsal, die als Sprecherin für den türkischen Bund in Deutschland bei der Pressekonferenz anwesend war, warnte in diesem Zusammenhang vor einer Generalisierung von TürkInnen oder MuslimInnen und kritisierte die Studie Simons dahingehend.
Berlins Senatorin Dr. Heike Knake-Werner ging in die gleiche Richtung und erklärte: "Die Studienergebnisse sind insgesamt bedenklich. Selbst in Berlin hat ein beträchtlicher Anteil der deutschen männlichen Jugendlichen eine homosexuellenfeindliche Einstellung. Vor allem brauchen wir Konsequenzen bei der Integration von jugendlichen Migranten im Bereich der schulischen Bildung, innerhalb der Jugendsozialarbeit und in der Elternarbeit. [...] Stigmatisierung des Islam wäre die grundfalsche Antwort. Es darf nicht Homophobie mit Islamophobie begegnet werden. Wir wollen, dass sich Migrantinnen und Migranten und Lesben und Schwule in der Stadt gegenseitig wertschätzen und akzeptieren."
Es liegt also noch viel Arbeit vor Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen, den Medien und der Politik, bei der die gesamte Gesellschaft gefordert ist: Akzeptanzförderung statt Homosexuellenfeindlichkeit.
Weitere Informationen zur Studie bei
Prof. Dr. Bernd Simon, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Psychologie, Lehrstuhl für Sozialpsychologie und
Evaluation
www.psychologie.uni-kiel.de/sozial
Tel.: 0431 880 3972, Fax: 0431 880 3971,
simon@psychologie.uni-kiel.de
RespectGaymes
www.respect-gaymes.de
Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung
www.berlin.de/lb/ads
Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD)
www.berlin.lsvd.de